Das Behindertentestament
Behinderte als Erbe? Um dem behinderten Erben möglichst viel zukommen zu lassen, möglichst ohne zugleich seine Sozialleistungen (z.B. Eingliederungshilfe, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zur Pflege, Wohngeld etc.) zu schmälern, muss strategisch vorgegangen werden.
Behinderte müssen bis zu einem relativ niedrigen Schonbetrag zunächst Einkommen und eigenes, auch ererbtes Vermögen einsetzen. Erst wenn ihr Einkommen und Vermögen weitgehend aufgebraucht ist, können sie einkommens- und vermögensabhängige Sozialleistungen (z.B. Eingliederungshilfe, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zur Pflege, Wohngeld etc.) beziehen.
Behindertentestament und Schonvermögen
Um das zu verhindern, können Erblasser ihren Nachlass testamentarisch so regeln, dass ein behinderter oder möglicherweise künftig behinderter Erbe (z.B. Kind oder Ehegatte) auch nach dem Tod des Erblassers die volle staatliche Unterstützung erhält, ohne dass das geerbte Vermögen eingesetzt werden muss, sog. „Behindertentestament“. Dies geschieht durch die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft bei gleichzeitiger Testamentsvollstreckung. Dabei wird der Behinderte zum nicht befreiten Vorerben eingesetzt, wodurch er in seinem Verfügungsrecht über Nachlassgegenstände beschränkt ist (§§ 2112 ff. BGB). Daneben ordnet der Erblasser eine Dauertestamentsvollstreckung an und weist den Testamentsvollstrecker an, dem behinderten Erben zur Verbesserung seiner Lebensqualität aus den ihm gebührenden Reinerträgen des Nachlasses nach billigem Ermessen solche Geld- oder Sachleistungen zukommen zu lassen, die nach den sozialrechtlichen Bestimmungen „Schonvermögen“ sind, die er nicht zur Bestreitung seines Lebensunterhalts einsetzen muss (§ 90 Abs. 2 SGB XII, § 12 Abs. 3 SGB II), auf die der Sozialleistungsträger nicht zugreifen kann und die auch nicht auf die gewährten Sozialleistungen anrechenbar sind. Eine solche Gestaltung ist höchstrichterlich anerkannt.
Behindertentestament und Pflichtteilsanspruch
Bei der Ausgestaltung des Behindertentestaments sind die im konkreten Einzelfall relevanten komplexen Rechtverhältnisse (Familien-, Erb-, Steuer- und nicht zuletzt Sozialrecht) zu berücksichtigen. Aber Vorsicht: Ist der Behinderte zugleich pflichtteilsberechtigt, geht sein Pflichtteilsanspruch auf den Sozialleistungsträger über, der ihn gegenüber dem Nachlass geltend machen kann. Um das zu verhindern, muss das Behindertentestament entsprechende Vorkehrungen treffen oder muss der Behinderte notariell auf seinen Pflichtteilsanspruch verzichten. Auch ein solcher Pflichtteilsverzicht in Kombination mit einem Behindertentestament ist höchstrichterlich anerkannt. Entsprechendes gilt auch für Vor- und Nachvermächtnisse mit Dauertestamentsvollstreckung und ggf. Pflichtteilsverzicht.